In Zeiten des Fachkräftemangels ist es erstaunlich, dass einige Arbeitsgebende ihre Mitarbeitenden weiterhin ungerecht behandeln. Ein Beispiel verdeutlicht dies: Eine Arbeitgeberin, deren Personalreglement fair und ausgewogen ist – auch für Teilzeitangestellte –, hält sich nicht an ihr eigenes Reglement. Stattdessen werden Mitarbeitende ungleich behandelt. Die Praxis entspricht also nicht dem Reglement, welches alle Mitarbeitenden unterzeichnet haben.
Als die betroffenen Mitarbeitenden die Ungerechtigkeiten ansprechen, erhofft man sich eine Korrektur. Doch anstatt den Missstand zu beheben, wird das Reglement geändert und die Ungleichbehandlung reglementiert. Da es noch kein höchstrichterliches Urteil gibt, ist dies rechtens. Dieses Vorgehen wirft trotzdem Fragen auf: Welche Werte vertritt ein Unternehmen, das so mit seinen Mitarbeitenden umgeht? Und wie lange ist ein solches Verhalten in Zeiten des Fachkräftemangels noch tragbar?
Ein Grund für dieses Verhalten könnte der Druck sein, die Erwartungen von Investoren oder Anteilseignern zu erfüllen. Oder es sind veraltete Denkmuster, die in manchen Unternehmen nur schwer aufzubrechen sind. Einige fühlen sich vielleicht in ihrer Machtposition sicher und glauben, dass die Mitarbeitenden keine Alternativen haben. Gleichzeitig fällt es vielen schwer, Gleichbehandlung als festen Bestandteil ihrer Unternehmenskultur zu verankern. Besonders beunruhigend ist die fehlende Bereitschaft, Ungerechtigkeiten zu beheben, selbst wenn diese aufgedeckt werden. Diese Kurzsichtigkeit, oft getrieben von Profitmaximierung, benachteiligt nicht nur die Mitarbeitenden. Besonders in einer Zeit, in der qualifizierte Fachkräfte dringend benötigt werden, wirkt dieses Verhalten fehl am Platz.
In einem angespannten Arbeitsmarkt sollten Werte wie Fairness, Transparenz und Wertschätzung Priorität haben. Doch es gibt immer noch Unternehmen, die kurzfristige Gewinne über diese Werte stellen und notwendige Veränderungen blockieren. In unserer Gesellschaft werden Fehler oft als Zeichen von Schwäche betrachtet, was es erschwert, eine lernorientierte Unternehmenskultur zu schaffen. Dies verhindert wichtige Verbesserungen und schwächt das Vertrauen von Arbeitnehmenden.
Wenn sich dieses Verhalten weiterverbreitet, wird es nicht nur den betroffenen Mitarbeitenden Schaden zufügen, sondern auch dem gesamten Arbeitsmarkt. Das Vertrauen in Arbeitgebende wird schwinden, und immer weniger Menschen werden bereit sein, sich langfristig an ein Unternehmen zu binden, was sie nicht respektvoll behandelt. Angesichts des Fachkräftemangels können sich Unternehmen ein solches Verhalten immer weniger leisten. Arbeitgebende, die fair und transparent agieren, werden langfristig als attraktiv wahrgenommen.
Die Generation Z legt grossen Wert auf Fairness, Transparenz und flexible Arbeitsmodelle. Unternehmen sollten diese Forderungen nicht als Problem, sondern als Chance sehen, um faire und inklusive Arbeitsbedingungen zu schaffen. Flexible Arbeitsmodelle werden immer wichtiger, um qualifizierte Fachkräfte zu gewinnen und langfristig zu binden.
Arbeitgebende müssen sich ihrer Verantwortung bewusst werden. Fairness und Gerechtigkeit sind keine „Nice-to-haves“, sondern zentrale Erfolgsfaktoren für ein Unternehmen. Mitarbeitende, die respektvoll behandelt werden, sind motivierter, loyaler und tragen langfristig zum Erfolg bei. Solange Unternehmen an überholten, unfairen Strukturen festhalten, wird der Fachkräftemangel weiterhin ein drängendes Problem bleiben.
Persönliches Fazit: Trotz meiner Zugehörigkeit zur älteren Generation kann ich die Forderungen der jüngeren Generation gut nachvollziehen. Fairness, Transparenz, Respekt und Wertschätzung sind grundlegende Werte, die den Erfolg eines modernen Unternehmens sicherstellen. Unternehmen, die diese Prinzipien ernst nehmen, profitieren von motivierten und loyalen Mitarbeitenden. Diese Werte sind keine Luxusforderungen, sondern essenziell für den langfristigen Erfolg im heutigen Arbeitsmarkt. Viele Unternehmen haben diese Chance jedoch immer noch nicht erkannt. Es ist höchste Zeit, dass sich dies verändert – zum Wohl der Arbeitnehmenden und zur Sicherung eines nachhaltigen Arbeitsmarktes.
Hier abschliessend noch einige Argumente, warum sich Gleichberechtigung lohnt:
- Mitarbeitendenzufriedenheit und psychische Gesundheit: Fairness am Arbeitsplatz trägt massgeblich zur psychischen Gesundheit der Mitarbeitenden bei. Arbeitgebende sind verpflichtet, gebührend auf die Gesundheit zu achten. Ungleichbehandlung, Ungerechtigkeit und fehlende Transparenz können Stress, Frustration und Burnout fördern, was langfristig zu einer höheren Zahl von Krankheitstagen und geringerer Produktivität führt.
- Produktivität und Motivation: Fairness und Anerkennung erhöhen die Motivation und das Engagement der Mitarbeitenden. Sie tragen mit grösserer Energie und Eigeninitiative zum Fortschritt des Unternehmens bei, was zu einer höheren Produktivität und besseren Ergebnissen führt.
- Innovationsfähigkeit und Kreativität: Eine faire und transparente Unternehmenskultur fördert die psychologische Sicherheit der Mitarbeitenden. Wenn sich Menschen gerecht behandelt fühlen, sind sie eher bereit, neue Ideen einzubringen, kreative Lösungen zu entwickeln und Risiken einzugehen, was die Innovationskraft des Unternehmens steigert.
- Mitarbeiterbindung: Unternehmen, die Fairness leben, haben eine geringere Fluktuation, was ihnen hilft, qualifizierte Fachkräfte langfristig zu halten. Zudem führt es zu weniger Kosten für die Rekrutierung, Einarbeitung und das Onboarding neuer Mitarbeitender. Fairness sorgt für Stabilität im Team und spart langfristig Ressourcen.
- Anpassungsfähigkeit an den Wandel: Unternehmen, die Fairness und Gerechtigkeit fördern, sind oft flexibler und anpassungsfähiger in Zeiten des Wandels. Mitarbeitende, die das Gefühl haben, dass ihre Arbeit wertgeschätzt wird, sind eher bereit, Veränderungen mitzutragen und in schwierigen Zeiten solidarisch zu handeln.
- Diversität und Inklusion fördern: Fairness ist eng mit den Themen Diversität und Inklusion verknüpft. Unternehmen, die gerechte Arbeitsbedingungen schaffen, öffnen sich für eine vielfältigere Belegschaft. Das führt nicht nur zu einer besseren Repräsentation unterschiedlicher Perspektiven, sondern auch zu einem besseren Verständnis von Kundenbedürfnissen und Märkten.
- Unternehmenskultur und Ruf: Ein Unternehmen, das Fairness und Transparenz fördert, zieht nicht nur talentierte Mitarbeitende an, sondern wird auch als Arbeitgebermarke stärker wahrgenommen, was Wettbewerbsvorteile bietet.
- Rechtliche Risiken minimieren: Unternehmen, die sich nicht an faire Praktiken halten, riskieren Konflikte, die in rechtliche Auseinandersetzungen münden können. Arbeitsrechtsstreitigkeiten und Klagen wegen Diskriminierung oder ungleicher Behandlung können hohe Kosten verursachen und den Ruf langfristig schädigen.
- Vertrauen: Kurzfristige Profitorientierung kann zwar Gewinne steigern, doch langfristig führt die Missachtung von Fairness zu einem Vertrauensverlust, der schwer zu reparieren ist.
- Gesellschaftliche Verantwortung: In einer zunehmend werteorientierten Gesellschaft spielt Fairness eine immer wichtigere Rolle. Unternehmen, die dies ignorieren, riskieren, nicht nur Mitarbeitende, sondern auch Kund:innen und Partner:innen zu verlieren.