Geschichten erzählen

16. November 2018

Ich könnte gerade Geschichten erzählen aber ich weiss genau, dass sie nicht wahrhaftig sind bzw. dass sich nichts verändern würde und dass sie für niemanden von Nutzen sind, wenn ich sie erzähle.

Seit einigen Tagen sitze ich in einem Film und bin gerade wieder mal gefordert, bei mir zu bleiben, den Fokus nicht zu verlieren, mich nicht in den Geschichten zu verlieren, auch nicht in denen, die ich mir selber erzähle - ganz besonders nicht in denen, die ich mir selber erzähle!

Kennst du das? Du erlebst etwas und sofort bist du da drin und machst daraus eine Geschichte und erzählst vielleicht auch anderen von deinem Erlebten, die dich vielleicht in deiner Wahrnehmung verstärken, mit dir mitgehen, mit dir mitfühlen. Im null Komma nichts entsteht eine Geschichte, die du gerade in diesem Moment erschaffst. Aber ist sie auch wirklich wahr oder noch viel interessanter: bringt sie irgendwem etwas?

Du sagst vielleicht, ja klar ist es wahr, schliesslich hat mich meine Mutter doch jetzt gerade verachtend angeschaut, du hast es doch auch gesehen. Ja, stimmt und nun?

Nun kann ich mich entscheiden, ob ich daraus eine Geschichte, ein Drama mache. Ich kann mir erzählen, dass sie das schon immer so gemacht hat, wenn ihr etwas nicht gepasst hat, dass ich eine schlechte Tochter bin und es nicht wert bin, von ihr gesehen und geliebt zu werden und, dass wenn mich nicht mal meine eigene Mutter liebt, wie soll mich denn überhaupt jemand lieben und sowieso sind alle gegen mich, schliesslich zeigen sie es mir ja ständig, und egal wo ich hin gehe, niemand will mich, niemand interessiert sich, wie es mir wirklich geht, niemand fragt nach mir, immer muss ich allen hinterher laufen und mich bei ihnen melden, wenn ich von mir aus nicht kommen würde, wäre ich total alleine, auch meine Mutter ruft mich nie an, immer muss ich sie anrufen und darum hat sie mich auch überhaupt nicht lieb... und so weiter und so fort.

ODER ich kann es einfach wahrnehmen: meine Mutter hat verachtend geguckt. Fertig aus! Nicht mehr und nicht weniger. Ich muss nicht wissen warum, ich muss nicht darauf reagieren, ich muss es nicht korrigieren, ich kann sie einfach so in ihrer Verachtung stehen lassen.

Welchen Weg gehst du jeweils, wenn dir sowas ähnliches passiert?

Ich bin damals den zweiten gegangen, nachdem ich Jahre lang vorher den ersten gegangen bin. Heute spüre ich die Liebe meiner Mutter so deutlich, wie nie und spüre auch, dass sie mich schon immer geliebt hat und wo ich ihr früher aus dem Weg gegangen bin, bin ich heute so so gerne für sie da. Angefangen hat es damit, dass ich aufgehört habe, mir die Geschichte von der armen kleinen, ungeliebten Tochter zu erzählen und mich auf das fokussiert habe, was ich schon hatte: einzelne Menschen, die für mich da waren, mich gestärkt haben, mir zugehört haben, mich in den Arm genommen haben, mir das Gefühl gegeben haben, dass ich wichtig bin. UND diesen Menschen habe ich meine Wertschätzung gezeigt, mit diesen Menschen bin ich weiter gegangen.

Und auch heute, in diesen Tagen, darf ich gerade wieder lernen, mir keine Geschichten zu erzählen und bei mir zu bleiben. Leben geht weiter, immer tiefer.

HerzLichtGrüsse
Monia ॐ